Das förderdiagnostische Konzept

Zur Testkonstruktion

Um mit Blick auf die mit der Diagnose verzahnte Förderung alle dafür erforderlichen Anhaltspunkte über Stärken und Schwächen der Kinder zu erhalten, wurden spezielle Tests konstruiert, bei denen wir die Kinder bewusst immer wieder vor konkrete, altersadäquate Rechtschreib-Entscheidungssituationen stellen. Dies nicht, um möglichst viele Fehler zu provozieren, sondern um genau diejenigen Informationen zu erhalten, die wir für eine umfassende Einschätzung der Rechtschreibkompetenzen des Kindes benötigen. Dabei wurden für jeden Test spezielle Brückenwortschätze entwickelt, die zwar auf den curricularen Richtlinien aller Schulstufen und Schulformen basieren, aber im Hinblick auf rechtschreibschwächere Kinder so modifiziert worden sind, dass Rückschlüsse auch über die bereits vorhandenen Rechtschreibkompetenzen gewonnen werden können und eine Förderung genau dort ansetzen kann.

Hierbei spielen natürlich die von den Kindern vorgelegten, oft sehr kreativen Fehlschreibungen und ihre differenzierte Analyse eine zentrale Rolle. So wichtig es in der konkreten Förderarbeit mit dem Kind ist, an den bereits aufgebauten Kompetenzen der Kinder anzuknüpfen, so verkehrt wäre es, Fehler als Auskunftsquelle links liegen zu lassen. Erst die computergestützte und durch unsere Fachdidaktiker wie Sprachwissenschaftler permanent überprüfte Feinanalyse verrät das, was die Kinder bereits können ebenso wie die für den optimalen weiteren Ausbau seiner Kompetenzen nötigen Schritte. Es gilt, Kinder aus ihren Fehlern lernen zu lassen, ohne sie zu stigmatisieren. Deshalb ist unser Leistungsprofil auch für die Hand von Lehrern oder Eltern gedacht!

Unsere Rechtschreibdiagnostik

Die Lernserver-Diagnostik basiert zum einen auf einer Datenbank. Erstellt wurde diese auf Grundlage einer sprachwissenschaftlichen Analyse der Fehlschreibungen von mehr als 600.000 Kindern. Dadurch kann ein Großteil jener Schreibungen ‚abgefangen’ werden, die Kinder häufig produzieren. An diese Datenbank gekoppelt ist ein dynamisches Analyseprogramm, welches neue Fehlschreibungen ‚intelligent’ zerlegt, u.a. in Morpheme, Silben und Grapheme. An den Nahtstellen dieser Wortbausteine werden die Fehler vom Programm erkannt und einer der über 230 Fehlerkategorien zugeordnet. Auf diese Weise können wir auch einzelne Wortbestandteile differenziert analysieren; vor allem ist es so möglich, auch jenen Schreibungen wichtige Informationen zu entnehmen, die auf den ersten Blick als reichlich krude Wortruinen erscheinen.

Allerdings sind Kinder höchst kreativ, wenn es um die Verschriftung von Wörtern geht, weshalb wir dem Computer nicht das letzte Wort überlassen. Um ihnen bestmöglich gerecht zu werden, wird jede neu auftretende Fehlschreibung zusätzlich durch einen Lerntherapeuten unter förderdiagnostischen Gesichtspunkten überprüft. Dies kann dazu führen, dass das dem Lehrer unmittelbar nach Eingabe der Fehlschreibungen online zur Verfügung gestellte Leistungsprofil neu justiert werden muss, worauf jedoch ein Warnhinweis aufmerksam macht.

Dieses durchaus aufwendige Zusammenspiel von Mensch und Maschine macht die Stärke des Lernservers aus: Weil er Kinder nicht in bestimmte Schubladen steckt, sondern sich ihnen anpasst. Wenn also damit Kindern genau dort unter die Arme gegriffen werden kann, wo sie es brauchen und sie die Erklärung oder jene Übung erhalten, die ihnen das scheinbare Dickicht der Sprache endlich durchschaubar macht, hat sich diese Mühe gelohnt.

Unsere Rechtschreibförderung

Die Lernserver-Förderdiagnostik unterscheidet auf verschiedensten Ebenen zwischen notwendigen Voraussetzungen, die gefestigt sein müssen, um bestimmte Sprachprinzipien verstehen zu können, und darauf aufbauenden Lernschritten. Auch wenn sich durch die innere Logik unserer Sprache auf allgemeiner Ebene ein sinnvoller Zusammenhang der verschiedenen Bildungsbausteine ergibt, ist damit die jeweils angebrachte konkrete Förderung einzelner Kinder oder Gruppen noch lange nicht entschieden. Viel zu unterschiedlich sind Vorwissen, bereits aufgebaute Rechtschreibkompetenzen und Lücken, als dass man mit gutem Gewissen alle Kinder gleich behandeln könnte. Mit welcher Berechtigung sollte man auch all jene Mühen (samt den größeren wie kleineren Erfolgen) ignorieren oder gar pauschal entwerten, die Kinder, Lehrer und Eltern im Laufe der jeweiligen Bildungsbiographie aufgewandt haben?!

Eine Förderung, die Kinder nicht über einen Leisten schert, muss sich deshalb darum bemühen, an den bereits vorliegenden Kompetenzen anzuknüpfen. Diese Anstrengung lohnt sich, weil solch individualisierendes Vorgehen für alle Beteiligten befriedigender, effektiver und zielführender ist als das Durchlaufen des besten allgemeinen Curriculums. Vor allem aber ist es für die Kinder motivierender, wenn sie nicht noch einmal den gesamten Stoff durchhecheln und lange auf echte Erfolgserlebnisse warten müssen. Möglichst rasch sollen sie feststellen können, dass sich der Aufwand lohnt und Sprache doch kein Buch mit sieben Siegeln ist, wie es ihnen der ausbleibende Erfolg ihrer Lernanstrengungen nur allzu oft nahelegt.

Leider tendieren viele Kinder gerade als Folge wiederholter Misserfolgserlebnisse dazu, ihr Heil in sturem Auswendiglernen zu suchen. Das souveräne Beherrschen von Sprache lässt sich aber nun einmal nicht durch begriffsloses Reproduzieren erzwingen, weshalb die ursprüngliche Leistungsbereitschaft meist rasch in den Verlust jeglicher Motivation mündet, bis hin zu unterschiedlichsten psychosozialen Auffälligkeiten. Dazu beizutragen, rechtzeitig zu intervenieren oder solchen Teufelskreis gar nicht erst entstehen zu lassen, ist unser Anliegen. Es ist deshalb wichtig, selbst bei jenen Kindern, bei denen sich noch keine Anzeichen für mangelnde Motivation zeigen, darauf zu achten, den Hang zu blindem Pauken behutsam aufzubrechen. Dies nicht zuletzt dadurch, dass Kinder ernst genommen und ihnen durchaus auch Erklärungen zugemutet werden. Die Aufgabe von Lehrkräften als ‚Lernhelfern’ ist es, ihnen Schritt für Schritt zur Einsicht zu verhelfen, dass die Schriftsprache im Großen und Ganzen doch ein leidlich plausibles, weitgehend durchschaubares Gebilde ist.

Auf welche Weise Lehrkräfte diese Einsicht vermitteln, setzt neben eigener Sprachvermittlungskompetenz den ‚pädagogischen Blick’ dafür voraus, wie sehr das einzelne Kind gefordert werden kann. Dabei möchten wir den Lehrkräften behilflich sein und ihnen aus der großen Fülle an möglichen didaktischen Zugängen jeweils jene bereitstellen, die uns aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen im konkreten Einzelfall erfolgversprechend erscheinen.

Dabei hat sich gezeigt, dass es Kindern hilft, sich zwischen einer ausgewogenen Mischung von Lernen und Studieren, zwischen dem eher intuitivem Erschließen von Prinzipien der Schriftsprache, einem bewussten Auseinandersetzen mit Regeln oder dem Auswendiglernen mancher Bereiche (hierzu zählen insbesondere die leider unvermeidlichen Ausnahmen) relativ frei bewegen zu können. Unser breitgefächertes, flexibles Förderangebot versucht, dem Rechnung zu tragen.

Eine Förderung macht wenig Sinn, wenn nicht die Voraussetzungen gegeben sind, um den Bereich, um den es gerade geht, überhaupt verstehen zu können. Aus diesem Grund differenziert die Lernserver-Förderung auf einer prinzipielleren Ebene zwischen einem „Grundlegenden Bereich“ (zu dem der sog. Wahrnehmungsbereich zählt) und dem „Regelbereich“. Auf diese Weise kann dafür gesorgt werden, dass die Kinder nicht überfordert werden. D.h. es wird darauf geachtet, dass einer Förderung im Regelbereich eine Festigung der Fertigkeiten im Grundlegenden Bereich vorausgeht, die das Durchschauen der Sprachlogik des Regelbereiches überhaupt erst möglich machen.

Der Grundlegende Bereich

Mit dem „Grundlegenden Bereich“, dem sog. „Wahrnehmungsbereich“ sind insbesondere jene Wörter oder Wortbestandteile angesprochen, die vor dem Hintergrund einer gefestigten Laut-Zeichenzuordnung weitgehend problemlos verschriftet werden können. Da sich selbst vermeintlich einfachere Orthographieregeln nur vor dem Hintergrund einer Grundsicherheit im Wahrnehmungsbereich vernünftig erschließen lassen, sollte dem betreffenden Kind zunächst die Chance geboten werden, sich bewusst mit seiner phonographischen Strategie auseinanderzusetzen. Nicht selten muss daran gedacht werden, überhaupt erst ein rudimentäres Gefühl für die eigene Sprache und ihre Melodie aufbauen zu helfen.

Regelbereich

Die Lernserver-Förderung, die sowohl aktuellste sprachwissenschaftliche Ergebnisse wie Erfahrungen aus der förderdiagnostischen Praxis verbindet, charakterisiert sich im Unterschied zu vielen anderen Förderkonzepten dadurch, dass sie sich nicht vorschnell an den Symptomen orientiert. Welchen Sinn macht z.B. die Einführung der Dopplungsregeln, wenn Kindern noch die elementaren Fähigkeiten dafür fehlen, sie verstehen zu können? Vielmehr wird darauf geachtet, ob und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen (z.B. ein Gefühl für die Sprachmelodie, ein Gespür für Betonung oder Länge und Kürze des betonten Vokals), um sie an die jeweiligen Bereiche heranzuführen.

Trotz der Fülle an Ausnahmen ist es wichtig, Kindern sukzessive zu einem Durchschauen der Schriftsprache zu verhelfen. Es wäre fatal, wenn man darauf verzichten würde, systematisch und unter Berücksichtigung der inneren Logik der Schriftsprache die Kinder mit dieser vertraut zu machen. Ausschließliches Üben oder Trainieren von Diktaten legt Kindern nur ein Missverständnis nahe: Sprache sei eine höchst lästige Erfindung von Erwachsenen und keinerlei Anstrengung wert. Diese bildungsfeindliche Haltung wird leider auch dadurch befördert, dass man – vermeintlich im Interesse der Kinder – darauf verzichtet, ihnen auch die eine oder andere Erklärung zuzumuten oder sich mit verkürzenden, jedoch in die Irre führenden Tipps und Tricks behilft. (Dies gilt z.B. für das hartnäckig verbreitete Silbenschwingen, das im Wahrnehmungsbereich angebracht sein mag.)

Umgekehrt lohnt es sich durchaus, den komplexen Bereich der Orthographie Schritt für Schritt gemeinsam mit Kindern zu erschließen. Dann erweist sich, übrigens auch für manchen Erwachsenen, dass unsere historisch gewachsene Orthographie ein durchaus sinnvoll strukturiertes Gebilde ist, das die ihr innerhalb einer Schriftkultur auferlegten Aufgaben und Funktionen sehr gut zu erfüllen vermag und der man sich souverän bedienen kann.

Die entscheidende Frage freilich ist, worauf man beim jeweiligen Kind aufbauen kann, was ihm in welcher Abfolge genau vermittelt werden sollte und wie intensiv man ihm eine Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien, aber auch den diversen Feinheiten der deutschen Sprache antragen möchte.

Der Lernserver versucht, für jedes einzelne Kind die je richtige Mischung aus Verstehen, Üben und spielerischem Lernen herauszufinden. Damit wird dem Lehrer sehr viel an Arbeit abgenommen, weil ihm ein für das betreffende Kind (bzw. seine Gruppe/Klasse) konstruierter Förder-, Übungs- und Lernpfad vorgeschlagen wird. Es versteht sich jedoch, dass das letzte Wort immer der Lehrkraft und ihrem pädagogischen Gespür überlassen bleibt, um im konkreten Förderalltag die notwendige Balance zwischen Fördern und Fordern zu halten. Es ist immer der Lehrer, der entscheiden kann, wie schnell er auf dem von uns vorgeschlagenen Förderweg vorangeht, wo Schleifen einzubauen sind oder auf welche der optional zur Verfügung gestellten Vertiefungen besser verzichtet wird.

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