ERFAHRUNGSBERICHTE

Über ein Projekt zu berichten, das schon in vielen Publikationen vorgestellt wurde, ohne dabei Bekanntes zu wiederholen, ist sicher nicht einfach.
Dennoch möchte ich einen Erfahrungsbericht dazu beisteuern, der aus der Seite des Anwenders, als Lerntherapeut, Sonderschullehrer und Berater in Sachen Legasthenie, gesehen wird.

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PRAXISBERICHT DES LUISE-VON-DUESBERG-GYMNASIUMS, KEMPEN, ZUR ARBEIT MIT DEM LERNSERVER, INTERAKTIVE FÖRDERDIAGNOSTIK

Dass die Rechtschreibleistung deutscher Schüler und Schülerinnen sich zunehmends verschlechtert (hat), ist ein von vielen Seiten hervorgehobenes Defizit. Unisono beklagen Lehrer, Eltern und nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft das Unvermögen vieler Schulabgänger, weitestgehend fehlerfrei zu schreiben. Interpretationsansätze, woher dieser Mangel stammt, geraten oftmals zu didaktischen Grabenkämpfen, nicht selten werden die „neuen Medien“ und deren exzessive Nutzung durch die Schülerinnen und Schüler für den beklagten Zustand verant-wortlich gemacht.
Die interaktive Förderdiagnostik des Lernservers der Universität Münster enthält sich dieser Wertungen und setzt mit ihrer Arbeit an einem anderen Punkt an, an der genauen und zeitlich frühen (das Konzept kann bereits in der Grundschule benutzt werden) Diagnose der Fehlerschwerpunkte. Zu diesem Zweck hat das Team um Prof. Schönweiss einen standardisierten Rechtschreibtest in Form eines Lückendiktats entwickelt, der es dem Team ermöglicht, mittels eines datenbankgestützten Abgleichs die Ergebnisse hinsichtlich verschiedener Fehlerkategorien zu analysieren und so ein individuelles Leistungsprofil für jeden einzelnen Schüler zu erstellen. Ein passgenauer Förderplan und die dazugehörigen Materialien (entweder in digitalisierter Form auf CD-ROM oder ausgedruckt als Förderbuch) runden den Service des Lernservers ab.

Erfolgreiche Pilotphase
Zu Beginn des zweiten Halbjahres des Schuljahres 2004/05 hat das Luise-von-Duesberg-Gymnasium in Kempen eine Pilotphase zur Arbeit mit den Materialien des Lernservers der Universität Münster durchgeführt. 72 Kinder der Klassen 5 und 6 wurden in diesem ersten Durchgang getestet und es bestätigte sich schnell, dass jeder Schüler jeweils andere Fehlerschwerpunkte hatte. Ein besonderer Service des Lernservers ist es, dass die detaillierte Diagnose der Rechtschreibleistung (nach der Eingabe der im Lückendiktat gemachten Fehler) innerhalb von Sekunden online rückgemeldet wird. Die Ergebnisse des Computers werden zur Sicherheit nochmals von Sprachwissenschaftlern und Förderkräften überprüft, um den oft recht originellen Fehlschreibungen der Schüler auch die kleinsten Anhaltspunkte zur Förderung zu entnehmen. In solchen Fällen erfolgte eine Rückmeldung aus Münster innerhalb von ein, zwei Tagen.
Als positiver Nebeneffekt muss auch gewertet werden, dass dabei die Sensibilität der Lehrkraft gegenüber der Unterschiedlichkeit der einzelnen Rechtschreibfehler gesteigert wird, hier zeigt sich erneut, dass die bisher in LRS-Fördergruppen oftmals praktizierte Maxime, „jeder übt das Gleiche nach dem gleichen Muster“ an den je individuellen Fehlern vorbeigeht und daher nur bedingt erfolgreich sein kann.

Einbindung der Eltern
Obwohl die Materialien unzweifelhaft kindgerecht sind und von den Kindern ohne Probleme alleine bearbeitet werden können, schien es uns sinnvoll, die Verantwortlichkeit für die kontinuierliche Arbeit mit den Materialien nicht nur auf die Schüler zu beschränken, sondern die Eltern in den Förderungsprozess miteinzubinden. Zu diesem Zweck wurden mehrere Elternabende veranstaltet, auf denen unter anderem das Konzept des Lernservers vorgestellt und Tipps zur Arbeit mit den Materialien gegeben wurden. Dass jedes Elternteil die Gelegenheit hatte, sich die CD-ROM seines Kindes und damit die Fehlerauswertung und die darauf basierende Förderung auf einem Computer anzuschauen und eventuelle Fragen sofort beantwortet zu bekommen, wurde dabei als besonders positiv herausgestellt. Erste Rückmeldungen seitens der Eltern signalisierten schon hier, dass diese Art der Förderung als eindeutig sinnvoll erachtet wurde.

Dauerhafte Verankerung an der Schule; Einrichtung einer „Lernserver-Sprechstunde“
Parallel zur je individuellen Arbeit mit den Materialien hat das Luise-von-Duesberg-Gymnasium mit einer überschaubaren Schülergruppe (ca. 20 Schüler/innen) zweimal wöchentlich ein zusätzliches „Training“ durchgeführt, in dem auf die individuellen Lernserver-Materialien – die neben Einheiten, die in Stillarbeit erledigt werden müssen, auch eine Fülle an gruppenspezifischen Übungsformen anbieten – zurückgegriffen wurde. Hier zeigte sich, dass es neben der individuellen Arbeit mit den Schülern durchaus sinnvoll ist, auch Mischformen zuzulassen und mit mehreren Schülern gemeinsam einzelne Fehlerkategorien durchzusprechen und Übungen anzubieten. Aus dieser Erfahrung heraus darf man mit Sicherheit auf die Möglichkeiten der Gruppenförderung, die der Lernserver als eigenständiges Programmmodul für den Beginn des neuen Schuljahres in Aussicht gestellt hat, gespannt sein.
Eine gesonderte Evaluation (alle Eltern wurden mittels eines Fragebogens zu ihren Erfahrungen befragt) der neuen Lernserver-Förderung hat ergeben, dass eine überwältigende Mehrheit die Arbeit mit den Materialien für sinnvoll hält und beobachtet hat, dass die Kinder ihre (im wahrsten Sinne des Wortes) Übungsmaterialien ernst nehmen und gerne bearbeiten. Auch erste Erfolge konnten im genannten Testzeitraum nachvollzogen werden, insbesondere war zu beobachten, dass die Kinder eine höhere Sprachsensibilität zeigen und in der Lage sind, Regeln zur Rechtschreibung bewusster einzusetzen. Auch die Einbeziehung der Eltern in den Lernprozess wurde mehrheitlich als positiv empfunden, wenngleich gewünscht wurde, dass die Betreuung durch die Schule intensiviert würde. Diesen Vorschlag setzen wir im nächsten Schuljahr dahingehend um, dass wir eine „Lernserver-Sprechstunde“ einrichten werden, in der zwei Kollegen den Schülern und Schülerinnen bei ihrem Lernprozess unterstützend zur Seite stehen werden.
Auch das Fazit der beiden Lehrkräfte, die das Projekt betreuen, ist äußerst positiv. Neben den bereits dargestellten Vorteilen, wurde es als besonders entlastend empfunden, dass mit dieser Art der Förderung ein Konzept vorliegt, das – sobald es einmal institutionalisiert ist – ohne nennenswerte weitere Vorbereitungszeit eingesetzt werden kann.

(Dr. Tanja Reinlein, StR‘ z.A., 19. Juli 2005)

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